Leseprobe Vier Seiten für ein Halleluja
Vier Seiten für ein Halleluja
Hans-Peter Roentgen
Charles Verlag
Vorwort
Vier Seiten, mehr lesen Lektoren in den Verlagen von unverlangt eingesandten Manuskripten nicht. Profis können schon nach den ersten Seiten sehen, woran ein Text krankt. Da wird zu viel erklärt, oder die Personen bleiben blass, oder der Text ist mit Adjektiven überladen oder …
Wenn eins dieser Probleme in einem Text auftaucht, wird der Verlagslektor ihn schnell beiseitelegen und die Autorin oder der Autor erhält einen der beliebten, nichtssagenden Formbriefe. Denn die Probleme, die auf den ersten vier Seiten auftreten, setzen sich in aller Regel im Rest des Manuskripts fort.
Dieses Buch soll Ihnen helfen, die Schwächen Ihrer Texte zu erkennen und das Potenzial ihrer Geschichte zu nutzen. Folglich finden Sie hier keine Wundermittel und keine todsichere Methode, einen verdammt guten Roman zu schreiben, geschweige denn eine Garantie dafür, einen Verlag zu finden. Texte besser zu machen, das ist alles, was dieses Buch möchte und es zeigt, wie das geht, anhand der ersten vier Seiten unterschiedlichster Manuskripte.
Deshalb hatte ich im Winter 2006 einen Aufruf in „Federwelt“ und „Tempest“ geschaltet, Autoren mögen mir die ersten vier Seiten ihres Romans zusenden, damit ich sie auf Fehler und Probleme prüfe und Änderungen und Verbesserungen vorschlage.
Ich möchte allen danken, die meinem Aufruf gefolgt sind. Denn damit hatte ich einen Fundus von Texten, anhand derer sich typische Fehler zeigen lassen, aber eben auch, wie man sie beseitigt.
„Ist mein Text gut oder schlecht?“, das war die bange Frage vieler Einsender, die einen sprachen es direkt aus, die anderen zwischen den Zeilen. Doch gut oder schlecht sind Eigenschaften eines fertigen Textes. Die zugesandten Texte waren durch die Bank halbfertig, nutzten das Potenzial ihrer Geschichte nur zum Teil aus. Und genau darum geht es in diesem Buch. Wie erkenne ich typische Anfängerfehler? Was kann ich tun, um sie zu beheben?
Nicht alle Texte werden in der vollen Länge von vier Seiten vorgestellt. Aber alle lange genug, dass sich das Problem zeigt. Genau daran fehlt es in Deutschland. Die Verlage klagen über die Unmenge unverlangt eingesandter Manuskripte, deren Qualität für eine Veröffentlichung nicht ausreicht.
Aber die wenigsten Autorinnen und Autoren, schon gar nicht die mit geringer Schreib-Erfahrung, können ihre Texte objektiv lesen, Probleme erkennen, geschweige denn sie beheben. Und leider gibt es in Deutschland viel zu wenig Möglichkeiten, um zu lernen, wie man eine Geschichte beurteilt und verbessert. Die meisten Handbücher beschränken sich auf Stil und Grammatik, obendrein bringen sie als Beispiele einzelne Sätze, keine zusammenhängenden längeren Texte. Und daran lassen sich Spannungsbogen und Personen nicht überprüfen, oder ob das, was erzählt wird und das, was nicht erzählt wird, in einem ausgewogenen Verhältnis steht.
Ich habe aus den Einsendungen die unterschiedlichsten Texte ausgewählt. Nicht alle Probleme eines Textes konnte ich behandeln. Darum habe ich mich immer auf das Hauptproblem beschränkt. Denn Texte werden nicht in einem Durchgang verbessert, sondern sukzessive. Erst die Personen, wenn diese zu blass sind; dann der Spannungsbogen; dann …
Eins nach dem anderen. Sonst verliert der Autor, vor allem der unerfahrene, den Überblick.
Natürlich sind meine Lösungsvorschläge genau das: Vorschläge. Oft gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Problem zu lösen. Auch das Schreiben hat seine Werkzeuge. Je mehr Sie in Ihrem Werkzeugkasten haben (und benutzen können!), desto besser werden Ihre Geschichten. Überlegen Sie ruhig, ob es nicht andere Lösungen für die Probleme der Texte gibt. Spielen Sie damit. Probieren Sie es aus!
Und vergessen Sie nicht: Schreiben braucht Übung.
Wie sagte der Wiener zum Preußen, der fragte, wie er zur Philharmonie komme? „Üben, üben, üben.“ Damit dies kein Trockenschwimmkurs bleibt, habe ich zahlreiche Übungen in den Text eingestreut, die Ihre Schreibmuskeln trainieren sollen. Und sicher schadet es nichts, wenn Sie sich bei den Beispieltexten erst einmal selbst überlegen: Was stimmt hier nicht? Wie könnte es verbessert werden?
Schreiben hat, wie alle anderen Beschäftigungen auch, seine Fachsprache. Wissen Sie, was ein Plot, ein Infodump oder narratives Erzählen ist? Was mit dem vielzitierten Satz: Zeigen, nicht behaupten (show, don’t tell) gemeint ist? Für diese und andere Fachbegriffe finden Sie am Ende ein Lexikon.
Und nun: Viel Spaß mit den Texten und der Arbeit daran. Möge Pegasus Ihre Feder beflügeln.
Denn trotz allem Schweiß, trotz all der Knochenarbeit, die Schreiben eben auch ist: Manchmal und immer öfter ist es besser als Sex. Vorbemerkung
Alle Beispieltexte wurden anonymisiert. Ich spreche überall von „Autoren“ in der männlichen Form, um Rückschlüsse auf das Geschlecht zu vermeiden. Natürlich heißt das nicht, dass die Autoren der Texte alle männlich sind. Dies gilt auch sonst bei der Verwendung männlicher Formen („Leser“ etc.).
Das Copyright der Beispieltexte liegt bei den Autorinnen und Autoren, die frei sind, diese anderweitig zu verwenden.
Rechtschreibfehler in den eingesandten Texten wurden, soweit entdeckt, korrigiert.